ImageÜbergegger, Oswald (HRSG): Region in Waffen/Regioni in armi. Geschichte und Region/Storia e regione, 14. Jahrgang, Heft 2,
Studienverlag.  ISBN  1121-0303.Innsbruck, Wien, Bozen 2005,  Paperback
Seiten 212.
http://www.studienverlag.at/

Formal beinhaltet dieser Sammelband Artikel in italienischer und deutscher Sprache, je nach der sprachlichen Herkunft der AutorInnen, denen zum besseren Verständnis je eine Zusammenfassung in der jeweils anderen Sprache angefügt wurde, um die Themen einem größeren Leserkreis zukommen lassen zu können. Inhaltlich wurde versucht, dem Leser einige Aspekte der Tiroler bzw. Österreichischen Militärgeschichte mit dem Ansatz alltags-, mentalitäts- und kulturhistorischer Regionalgeschichte zugänglich zu machen. Die interdisziplinär ausgerichtete Universitäre Geschichtswissenschaft hat im Zuge der methodischen Öffnung des Fachs den Wert einer modernisierten Militärgeschichte als Teilbereich der Geschichtswissenschaft erst in den letzten Jahren erkannt, weshalb der Band, an diese Tradition anknüpfend, die Region Tirol/Trentino zum Zielssetzung seiner Forschungen macht. Einige der Beiträge sind im Folgenden näher beschrieben.

Christa Hämmerle schreibt über die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in Österreich-Ungarn von 1868 bis 1918. Dabei bietet die Autorin einen guten historischen Überblick, zeigt gekonnt auf, welche Belastungen die lokalen Gemeinden bei der Zwangsrekrutierung der einzelnen Soldaten hatten und versorgt den Leser zudem mit - zumindest für den Tiroler - wichtigen Details, wie etwa der Tatsache, dass der Landsturm und das Schützenwesen noch vor dem Ersten Weltkrieg seiner Privilegien beraubt und in die reguläre Armee eingegliedert worden war. Hämmerle legt ihre Quellen klar dar und findet auch Zeit diese angemessen zu bewerten. Die facettenreiche Darstellung einzelner Soldatenschicksale mag langatmig vorkommen und es sein, aber dient zur Illustration der von der Autorin aufgestellten Thesen.

Wencke Metling behandelt in seinem Beitrag die Geschichte einzelner Regimenter in der Garnisonsstadt Frankfurt und versucht aufzuzeigen, wie die stationierten Militärs die Stadtgeschichte mitprägten. Der Ansatz der Arbeit ist ein viel versprechender, denn er begreift das Militär nicht als statische Einheit, sondern zeigt die Notwendigkeit auf, nach Einheiten und örtlichen Gegebenheiten zu differenzieren, sowie die Truppen als Teil der Gesellschaft zu analysieren anstatt sie als Feind zu stigmatisieren. Dies wird an zwei Beispielen der Stadtgeschichte Frankfurts plausibel illustriert.

Marco Mondini beschäftigt sich von italienischer Seite aus mit dem Alpini Mythos und seiner Konstruktion während und nach dem Ersten Weltkrieg. Der Mechanisierung, Gleichschaltung des Individuums im Massenheer, dem Verlust der individuellen Bedeutung, des Anti-Heldentums des Krieges in den Schützengräben und der Industrialisierung des Sterbens wird ein Soldatentypus entgegengesetzt, der die abhanden gekommene Ritterlichkeit symbolisiert und den Kampf als sportliches Duell verharmlost - eine sehr gelungene Darstellung.

Martin Schennach wagte sich über ein heikles Thema, nämlich einer historischen Aufarbeitung des Mythos über den wehrhaften Tiroler. Ein ausgezeichneter Überblick zur Tiroler Geschichtsschreibung und Theorie (der Autor zählt alle Größen der Geschichtsschreibung auf und stellt sie in einen chronologischen Rahmen) folgt auf wenigen Seiten eine wissenschaftlich fundierte Dekonstruktion des wehrhaften Tirolers. Dieser Artikel kann als Beginn eigener Nachforschungen nur wärmstens empfohlen werden, denn wer glaubt, dass das Tiroler Landlibell (Grundlage des erwähnten Mythos und Daseinsberechtigung der Schützenverbände in Tirol) so einzigartig im deutschsprachigen Raum sei, sollte diesen Artikel zu Beginn lesen.

Cinzia Villani bearbeitet die Geschichte des Durchgangslagers Bozen in den Jahren 1944/45, Hans Heiss gibt eine Vorschau auf das Tiroler Gedächtnisjahr 2009 (mit einigen brauchbaren Denkanstößen, doch fehlt es dem Artikel an realpolitischen Umsetzungen und Alternativvorschlägen), gefolgt von einer Vielzahl an Buchbesprechungen und Zusammenfassungen.

Fazit: Dieser Sammelband gehört in jede Bibliothek, die sich mit Tiroler Kriegsgeschichte und deren Mythenbildung befasst und bietet grundlegende Informationen, auch zum eigenen Selbstverständnis als Tiroler.

Die Bewertung des Buches nach dem unserem Notensystem gestaltet sich nicht allzu einfach, da die Artikel der verschiedenen Autoren teilweise stark in ihrem Inhalt variieren. Gerade bei kriegsgeschichtlichen Themen erschienen in den letzten Jahren wenige Publikationen, wodurch dieses Werk eine wichtige Lücke schließen kann. Wir vergeben 4,6 von 5 möglichen Punkten und sprechen damit eine uneingeschränkte Kaufempfehlung aus.

Autor: Dr. Rudolf Fallmann