Wappen von SchludernsDa rattert ein Heufuder gemächlich über das Kopfsteinpflaster, und einer der schönsten romanischen Kirchtürme des Vinschgaus heißt Sie am Eingang des Matscher Tales herzlich willkommen. Doch die Idylle ist trügerisch. Schluderns, das typische Straßen- und Bauerndorf, prägt mit seinen Natur- und Kulturdenkmälern das herbe, karge und großartige Tal des Oberen Vinschgaus, kontrastvoll heben sich alte Gemäuer von modernen Häusern und Siedlungen ab. Es sind aber die Gegensätze des Tales, dem versteppten Sonnenberg stehen saftig dunkle Wälder gegenüber, dem kargen windigen Oberland und den Obst- und Weingütern die gleißenden Gletscher, die uns daran erinnern, dass auch heute noch in den Bergen dem kargen Boden mühsam die Frucht abgerungen werden muss.

Geschichtliche und kulturelle Streiflichter
Schalensteine, Wallburgen und Schlösser erinnern an eine geheimnisvolle Vergangenheit. Die Geschichte von Schluderns ist eng mit jener des Gangleggs und der Churburg verbunden.
Die Kuppen- und Hangsiedlung am Ganglegg steckt voller Geheimnisse. Zwar steckt vieles noch im Dunkeln, doch verschiedene Funde aus der älteren Bronzezeit bis herauf in die späte Eisenzeit lassen eine Hochblüte der Laugen/Melauner Kultur erahnen. (11. Jahrhundert vor Chr.), diese haben bereits Grabungen in früherer Zeit, die zwar nicht wissenschaftlich gemacht worden sind, ergeben.
Wissenschaftliche Grabungen von 1997 - durchgeführt von zwei jungen Archäologen - haben frühere Ergebnisse bestätigt. Dies bezeugen prunkvoll verzierte tönerne Krugformen. Die Bronzeobjekte waren größtenteils keine heimischen Erzeugnisse, sondern widerspiegeln den Tauschhandel der überregionalen Metallwerkstattzentren nördlich und südlich der Alpen.
Im Übrigen ragt der Bauer der urwaldartigen Vegetation durch Brandrodung neues Kulturland ab, betrieb Ackerbau und Viehzucht. Auch Wein könnte angebaut worden sein, denn M. Portius Cato der Altere berichtete seinem Sohn über den guten Wein der Räter. Bei den Rätern handelte es sich um einen lockeren Zusammenschluss von Stämmen im Alpengebiet mit ähnlichen religiösen Vorstellungen. Um 15 v. Chr. dürfte diese rätische Kultur auch am Ganglegg von den vordringenden Römern nahezu völlig zerstört worden sein.
Ein bedeutender kultureller Aspekt war die Urnenfelderkultur. Man ist sich heute sicher, dass es sich vorwiegend um Brandoferplätze gehandelt habe. Reste üppig verzierter Gefäße zusammen mit eingestreuten Tierknochen beweisen dies. Das Bedürfnis des Menschen, seinen Körper und seine Kleidung zu schmücken, ist in allen Zeiten und bei allen Völkern zu finden. So gehörten Gewandnadeln aus Horn, Knochen oder Bronze, Glasarmreifen, Halsringe, Glasschmuck in Form von Perlen und Bernstein zu den meist getragenen Schmuckstücken.

Vögte und Grafen
Beherrschend residieren die Herren Grafen über dem Dorf auf Südtirols besterhaltener Schlossanlage. Heinrich von Montfort, Churer Bischof, ließ zwischen 1253/59 „Curberch“ errichten, um die widerspenstigen Matscher Vögte besser im Auge zu behalten. Doch am Ende des Jahrhunderts befand sich die Schlossanlage in ihrem Besitz. Die Grafen von heute nennen die Burg seit fast 500 Jahren ihr Eigen und besitzen ein kostbares Denkmal ritterlicher Kultur von seltener Geschlossenheit“ (0. Trapp)
Die Burg zählt zu den schönsten Kunstdenkmälern des Landes überhaupt, verbirgt sich doch in ihr die größte private Rüstkammer Europas. Hieb- Stich und Feuerwaffen sucht der Besucher jedoch vergebens; diese wurden zur Zeit des Tiroler Freiheitskrieges schweren Herzens an den Landsturm ausgegeben worden. Den Rest beschlagnahmten die siegreichen Franzosen. Beeindruckend präsentiert sich der Arkadengang. Die Säulen aus Göflaner Marmor, jede ist anders gearbeitet, weisen archaisierende (altertümliche) Elemente auf. Originelle Ornamente, Darstellungen von Tierfabeln versetzen uns in das klassische Altertum, und der im Stile der Renaissance gemalte Stammbaum der Grafen von Matsch und Trapp stellt die genealogische Abfolge dar.

Religiöse Kunst
Der wohl schönste romanische Kirchturm des Vinschgaus erinnert noch heute an jene Kirche von 1259, die 1490 einem spätgotischen Neubau weichen musste. Die Kirche von St. Katharina hütet verschiedene Zeugnisse der Gläubigkeit und des Kunstsinns früherer Generationen. Seit 1807 steht der von Baithasar Horer stammende einstige Hochaltar der Stiftskirche von Marienberg in der Pfarrkirche von Schluderns. Besonders beeindrucken der Tabernakelbau mit den weihrauchschwingenden Engeln und die vier Reliquienskelette. Was mögen die Schludernser wohl an die Bayern bezahlt haben?
Die Kirche St Michael, die nie Pfarrkirche war, um 1520 von der "Landecker Bauhütte erbaut, mit der Grabstätte der Grafen Trapp an der Außenmauer, beherbergt vorwiegend Arbeiten der Bildschnitzer Greiner. Sie wohnten oben am Schlummhof und übten eine umfangreiche Tätigkeit aus. Christian Greiner sen. starb 1720, Christian jun. 1778. Ihre meist signierten und datierten Werke sind über den ganzen oberen und mittleren Vintschgau verteilt. Meist handelt es sieh um einzelne Figuren, nicht um Altäre.

Wirtschaftliche Situation
Wenn wir in die Vergangenheit zurückblicken, so ist zu erwähnen, dass stets Kontakte der ortsansässigen Bevölkerung mit den Leuten aus den Nachbarsiedlungsräumen stattfanden. Nicht immer waren die Beziehungen freundschaftlicher Natur. Als 1499 die Bündner durch das Münstertal in den Vinschgau eindrangen, (Schlacht an der Calven)plünderten und zerstörten sie nicht nur die Ortschaften, sondern ermordeten auch die männliche Bevölkerung. 300 Jahre später waren es dann die Franzosen, die Elend und Schrecken verbreiteten. Die angerichteten Schäden dürften 1799 für Schluderns 24.000fl. betragen haben.
Im Übrigen waren die regen Kontakte wohl auf die stark auftretende Realteilung der bäuerlichen Betriebe zurückzuführen, die eine Existenz in der Landwirtschaft unmöglich machte und zu Arbeitssuche und zu Abwanderung zwang. Es sei darauf hingewiesen auf das Los der "Schwabenkinder", der "Karrner", auf die Auswanderer und die Pendler in die Schweiz.

Karrner
„Die streiten wie die Karrner!“ Trifft dieser Ausdruck nur auf die Vinschger zu? Wohl kaum.
Mehr oder weniger war das Karrnerwesen in allen Tiroler Tälern beheimatet.
Wirtschaftliche Faktoren~ Bevölkerungszunahme, geringe Arbeitsmöglichkeiten und die bereits erwähnte Realteilung, der bäuerliche Betrieb wurde solange aufgeteilt bis nur mehr der Karren übrig blieb, zwangen jene Unterpriviligierten, aus der Not eine Tugend zu machen. Heute würde man sie irgendwie als Wanderhändler bezeichnen. Sie fertigten u. a. Besen und Körbe und verkauften diese in den verschiedensten Talschaften.

Schwabenkinder
Die Schwabengängerei mittelloser Kinder hatte ähnliche wirtschaftliche und soziale Ursachen wie das Karrnerwesen. Der Lehrer erteilte die Erlaubnis, von der Schule wegzubleiben, und die Kinder im Alter zwischen sieben und fünfzehn Jahren verließen oft schon im März, meistens im April die Heimat Richtung Schwabenland. Die Heimreise erfolgte im November.
Unterschiedlich waren Arbeitsbedingungen. Behandlung und Entlohnung, weil es ja gute und schlechte Bauern gab. Um drei Uhr hieß es aufstehen, gegen zehn Uhr Abends ging der arbeitsreiche Tag zu Ende. Die schwäbischen Bauern entlohnten die Tiroler Hütebuben, auch die Mädchen, mit Hose, Joppe und Stiefelchen. Die Kinder kamen nicht nur neu eingekleidet und mit etwas Bargeld nach Hause, sondern ihre Abwesenheit bedeutete für die Eltern einen Esser weniger.

Auswandern oder auswärts arbeiten ist auch heute noch das Schicksal vieler aus dem Obervinschgau. Nicht immer ist die bessere Entlohnung bei gleicher Arbeit die Triebfeder für das Pendeln in die Schweiz. Es sind vorwiegend wirtschaftliche Aspekte, zumal der Wohlstand des Untervinschgaus dem Obervinschger noch teilweise fremd ist. Heute bieten das Handwerk, der Fremdenverkehr und besonders der Industriebetrieb Hoppe seit 1965 genügend Arbeitsplätze, auch für die aus der Landwirtschaft abwandernden Personen. Er beschäftigt zurzeit in Laas und Schluderns ca. 500 Mitarbeiter.

Schludernser Wassewaale
Der Vinschgau ist eines der regenärmsten Gebiete der Ostalpen. Die jährliche Niederschlagsmenge liegt zwischen 400 und 750 mm, was nicht genügt, um ohne künstliche Bewässerung ausreichende Ernte zu erzielen. Deshalb besitzt/besaß das Tal das dichteste Waal- und Bewässerungsnetz der gesamten Alpen.

Der Bau neuer Waale, oft in unwegsamen Gelände, sowie die Wasserentnahme von den Bächen durfte natürlich nicht nach Gutdünken erfolgen, sondern musste entweder von den Klöstern, die den großen Grundbesitz und mit diesem auch die Bäche besaßen oder vom Landesfürsten, bzw. von den Grafen, die seit dem 13. Mi. die Hoheit über die Gewässer innehatten, gestattet werden. Die Bauern hatten für das verliehene Wasser meist in Naturalien zu zinsen. Zwar sind viele dieser Waalsysteme fast gänzlich verschwunden. Sie sind den Flurbereinigungen und Planierungen zum Opfer gefallen. In Schluderns erinnern noch der „Perkwaal“ sowie der längste Waal des Vinschgaus, der „Gschneirer Waal“ (10 km lang, besteht heute noch in einer Länge von 3 km in seiner ursprünglichen Form) an jene technischen Meisterleistungen unserer Vorfahren.

Auf dieses ausgeklügelte Bewässerungssystem ist unter anderem zurückzuführen, dass insbesondere die Umgebung von Schluderns zur Kornkammer Tirols werden konnte. An diese Blütezeit erinnert heute lediglich das Haflingerstandbild auf dem "Großen Platz" (Rathausplatz), das u. a. auf die planmäßige Zucht des Haflinger Pferdes hinweisen soll, die 1874 in Schluderns im Hause des Bauern Folie, Kohlstattgasse, ihren Anfang nahm.

Quelle: Gemeinde Schluderns