Am Ende des 1. Jh. war der Alpenraum von römischen Provinzen regelrecht eingekreist. Damit die Römer besser zu ihren Provinzen im Norden gelangen und um sich noch besser ausdehnen konnten, war es für sie fast unerlässlich auch dieses Land in ihren Besitz zu bringen. Erst im Jahre 16 v. Chr., als angeblich Barbaren aus dem späteren Rätien in Italien einmarschierten, begannen sie den Alpenraum zu erobern. 15 v. Chr. befahl Augustus seinen Stiefsöhnen Drusus und Tiberius in Richtung Norden zu gehen. Durch einen Zangenangriff (Drusus zog über den Reschen und Fernpass, Tiberius über den Brenner) gelang es den beiden die einheimische Bevölkerung in kürzester Zeit zu besiegen und unter Militärverwaltung zu stellen.
Nachdem die Provinzen ein geschlossenes Territorium bildeten, war es an der Zeit eine Verbindung zwischen Nord und Süd zu bauen. Kaiser Claudius, Sohn des Drusus, gab 60 Jahre nach der Eroberung des Alpenraumes den Befehl neben eines Gesamtstraßenausbaues auch jene Strecke zur Staatsstraße (via publica) auszubauen, die sein Vater damals bei der Eroberung benutzt hatte.

Das römische Verkehrs- und Straßennetz hatte folgende Struktur:

Das römisches Straßennetz war so ausgerichtet, damit einerseits der Truppentransport andererseits das staatliche Kuriersystem einwandfrei und schnell von statten ging. Bereits zur Zeit des Kaiser Augustus wurde stark auf dies geachtet und gepflegt. Allein die Kosten der Sanierung waren immens, so betrugen die Ausbesserungsarbeiten für eine Meile auf der Via Apia über 100-mal [1] soviel wie ein Soldat pro Jahr an Sold bekam. Natürlich wurde das Straßennetz auch von der Bevölkerung genutzt: Reisende benutzten das dichte Straßennetz aus Kostengründen zu Fuß oder Reichere mit Reittieren und einachsigen Wagen. Ebenfalls bestand die Möglichkeit sich ÑLeihwägenì in größeren Städten anzumieten. Die via publica wurde auch vom Handel genutzt, wobei es sich hier eher um Binnenhandel handelte, da die Transportkosten zu Lande um ein vielfaches höher waren als auf dem Wasserweg. In diesem Fall kamen hauptsächlich zweiachsige Ochsenkarren zum Einsatz.
Neben dem Straßennetz benötigten die Reisenden ebenfalls die Möglichkeit der Übernachung. Wenn man bedenkt, dass ein Reisender meist mehrere Tage unterwegs war, so war es notwendig entsprechende Maßnahmen zu treffen. Im Schnitt wurden alle 30 km, entsprechend der täglichen zurücklegbaren Strecke [2] , Stationen für die Übernachtung eingerichtet, alle 10 km welche für den Pferdewechsel.
Zur Orientierung wurden die genau geplanten und vermessenen Strecken durch Meilensteine markiert. Dabei handelt es sich um Steinblöcke, in denen neben der Entfernung auch der Straßenerhalter eingemeißelt wurde. Zusätzlich gab es so genannte Itinerare (schriftliche Routenbeschreibung).

Via Claudia Augusta

2 Zufälligen Funde von Meilensteinen verdanken wir heute die Kenntnis über die Via Claudia Augusta, welche 1552 in Rabland bei Meran und 1786 in einer Kirche nahe von Feltre gefunden wurden. 1849 wurde zwar ein dritter entdeckt, der aber von einem Bildhauer zu einem Grabstein weiterverarbeitet wurde. In den Inschriften der Steine steht, dass Kaiser Claudius an der Strecke eine Straße errichten ließ, über die sein Vater Drusus seinen Alpenfeldzug geführt hatte. Wie diese Straße genau verlief ist leider unbekannt, vor allem weil auf den beiden Meilensteinen unterschiedliche Startpunkte genannt sind. So ist auf dem von Feltre der Anfangspunkt Altinum, der Stein von Rabland hingegen gibt den Po als Ursprung an. Zusätzlich erschwert die Tatsache, dass nicht genau abklärbar ist, welchen Weg Drusus genommen hatte. Aus diesem Grund vermutet man, dass es zwei verschiedene Strecken, zum einen von der Via Claudia Padana (ausgehend vom Po) und der Via Claudia Altinate (Altinum) gab. Erstere verlief warscheinlich von Hostilia, Trient, Mals, Reschen, Landeck zur Donau, zweitere ging von Altinum, Feltre, Belluno, Pieve di Cadore, Innichen ins Drautal oder über den Brenner und Seefeld zur Donau. Jedoch muss man bei dieser Interpretation einwenden, dass es in der Antike keinen ähnlichen Fall gab, wo zwei Straßen den gleichen Namen besaßen und daher zum Schluss kommen, dass es höchstwahrscheinlich nur eine Via Claudia Augusta gab. Möglicherweise war Altinum der tatsächliche Ausgangspunkt und die Strecke zum Po (50 km entfernt) war eine Zubringerstraße.

Durch archäologische Funde ist auf alle Fälle der Weg über den Reschen gesichert, jedoch kann auch ein Teil der Strecke über den Brenner geführt haben, da auf dem Meilenstein von Rabland die Meilenangabe von 350 eher auf den Brenner hinweist.

Verlauf

Von Altinum bis zum Reschen
Die antike Stadt Altinum spielte für das Imperium Romanum eine wichtige Rolle, da von dort aus der Verkehr aus Aquileia kam und sich hier ein Hafen befand, der direkt nach Ravenna führte. Zudem schloss hier die Via Claudia Augusta an das Straßennetz Venetiens an. Die Via Claudia führte dann über Tarvis nach Feltre, Trient, Bozen, Terlan, Vilpian, Obermais bei Meran mit Raststation, von Meran ging es weiter nach Steinach, Rabland, Naturns, Tschars, Goldrain, Schlanders, Schluderns, Glurns und Mals mit einer weiteren Raststation.

Reschen bis Landeck
Zwischen dem Reschen bis Landeck sind die archäologischen Funde im Gegensatz zu Streckenabschnitt Altinum bis zum Reschen eher spärlich. Man nimmt an, dass die Straße über die Malser Heide zum Reschen ñ Scheideck und dann weiter nach Nauders führte. Im Mittelalter gab es hier eine Übernachtungsmöglichkeit. Von Nauders aus verlief die Via Claudia Augusta nach Finstermünz (Überquerung des Inns), Schuppach, Serfaus, Fiss, Ladis, zur Pontlatz Brücke (Überquerung des Inns) und ging dann weiter nach Landeck mit einer Raststation in Perjen.

Landeck bis Füssen
Von Landeck aus ging die Strecke weiter über Lötz, Starkenback, Mils, Galgenbühel ins Gurgltal bei Imst und verlief dann weiter über Tarrenz, Strad (Teile der Via Claudia konnten hier freigelegt werden), nach Nassereith. Hier mündete auch eine Verbindungsstraße ein, die über das Mieminger Plateau zum Brenner führte. Höchstwahrscheinlich befand sich hier ebenfalls eine Raststation. Die Via Claudia Augusta führte von Nassereith weiter über den Fernpass, Biberwier und Lermoos nach Reutte und Pflach. Die Anhöhe würde dann über den Kniepass überquert und die Strecke ging weiter nach Pinswang und Füssen.

Die Via Claudia im Mittelalter

Im frühen Mittelalter war diese römische Straße weiterhin in Verwendung, wobei jedoch die Erhaltung von Seiten der Obrigkeit wegfiel. Auch wurde sie aufgrund der fehlenden Mobilität bis ins Hohe Mittelalter weit aus weniger benutzt. Jene Streckenabschnitte, die über gefährliche Gebiete verliefen waren dem Verfall preisgegeben, die Teile aber auf den gut ausgebauten Terrassen verliefen blieben für lange Zeit intakt und wurden von Reisenden, Händlern und Königen benutzt. Vor allem vom Kaiser, Herzögen, Geistlichen und von Pilgern wurden die Pässe genutzt um nach Rom zu gelangen. Diese Strecke wurde zumeist von Händlern genutzt, die den Warentransport in allen Jahrhunderten so von Norden nach Süden vollzogen. Genaue Aufzeichnungen über diese Zeit gibt es nicht, nur dass im 11. Jh. deutsche Kaufleute in Treviso eine Zollabgabe zu entrichten hatten. Da der Transport von Waren über den Landweg extrem teuer war handelte es sich wiederum um reine Luxusartikel, wie Gewürze, Seide etc. aus dem Süden. Exportiert wurde in erster Line Wein, erst später als man Salz in Hall abzubauen begann wurde auch dieses in den Norden über den Fernpass transportiert. Die Route über den Reschen war aber weniger frequentiert als jene über den Brenner um zu den Handelsmetropolen Venedig und Augsburg zu gelangen.

Erst als Venedig im 13. Jh. zum wichtigsten Warenumschlagplatz an der Adria wurde, vollzog sich der Wandel zum als Transitland. Ab diesem Zeitpunkt wurden verstärkt Waren aus der Levante nach Norden transportiert.

Um die Streckenabschnitte benutzten zu dürfen, mussten Zölle entrichtet werden, so wurde zum Beispiel in Eppan, an der Töll bei Meran, Nauers, Pfunds, Fernpassstraße am Fernstein, Ernberg bei Reutte Zollstationen eingerichtet wurden. Da das Zollregal eine lukrative Einnahmequelle war, förderten die Grafen von Tirol und Görz den Handel zunehmend. Das Zollregal verpflichtete aber auch den Belehnten damit, die Straße zu erhalten und die Sicherheit der Reisenden zu gewähren. In erster Linie waren aber die anreinenden Gemeinden und Gerichtsverbände damit betraut, sich um die bauliche Erhaltung der Straße zu kümmern. Gleichzeitig entstand aufgrund der Notwendigkeit das Frachtsystem zu organisieren das Rodwesen. Der Begriff Rod bedeutet soviel wie ÑReiheì und regelt die einzelnen Niederlagsstätten. Als im 13. Jh. in Hall begonnen wurden Salz im großen Stil abzubauen bedurfte es einer solchen Organisation um das weiße Gold nach Norden zu bringen. Entlang der Via Claudia Augusta über den Fernpass entstanden solche Rodstätten, wie zum Beispiel in Lermoos. Die Waren wurden von Rodleuten von einem Ort zum nächsten gebracht. Der daraus resultierende verstärkte Verkehr brachte darüber hinaus auch eine Erhöhung der Zolleinnahmen.

Um die Waren über die Via Claudia Augusta zu transportieren wurden in erster Linie kleine plumpe Wagen und Saumtiere benutzt.

Mag. Isabella Fritz-Egg

Literatur:

  • Kral, Josef: Via Claudia Augusta ñ Zusammenfassende Bemerkungen zur Erforschung der römischen Straße. Hrsg. Verein MIAR, Landeck 1998.
  • Stolz, Otto: Geschichte des Landes Tirol ñ Bd. 1.
  • Egg, Erich; Pfaundler, Wolfgang; Pizzinini, Meinrad: Von allerley Werkleuten und Gewerben ñ Eine Bildgeschichte der Tiroler Wirtschaft. Hrsg. Kammer der gewerblichen Wirtschaft. Innsbruck / Wien / München 1976.
  • Haider, Peter W.: Von der Antike ins frühe Mittelalter. in: Geschichte des Landes Tirol Bd.1; Innsbruck 1985.

 


[1] Sie kostete 108959 Sesterzen, ein Soldat bekam unter Augustus 880.

[2] Kuriere hingegen legten mit Pferdewechsel täglich 70 bis 88 km zurück